Sonntag, 19. Juli 2009

Achtzehnter Ferientag - die Sache mit dem Wollknäuel

Heute komme ich zu dem letztens erwähnten verwirrten Wollknäuel, denn beim Stricken hat sich bei mir nichts Nennenswertes getan.




Es geht um eine Stelle aus dem Buch "Ich ging den Weg des Derwisch" des Engländers Reshad Feild. Feild macht sich auf die Suche nach der Denk- und Lebensweise der Derwische. Er wird geleitet von einem Derwisch namens Hamid, der ihn nach und nach in die Philosophie der Derwische einweist. Bei diesem Hamid ist auch ein Mädchen untergekommen, das Feild bei seiner ersten Begegnung in einem Nachthemd antrifft, ziemlich verwirrt mit einem Wollgewusel in der Hand, das es versucht, wieder aufzulösen.


Feild fragt Hamid dann eines Abends:

"Kannst du mir sagen, wer das Mädchen ist in dem Zimmer unter mir?"
"[...] Es ist noch nicht an der Zeit, über sie zu sprechen, doch ich kann dir immerhin verraten, daß sie sehr krank ist und ich mich um sie kümmere. Auf dem Weg zur Selbst-Erkenntnis gibt es viele Fallgruben, wenn der Schleier der Illusion zerreißt und die Wesensnatur unseres Seins freigibt. Ein Lehrer, der nicht weiß, was er tut, oder der gewisse Kräfte entwickelt hat, ohne die nötige Erfahrung und das erforderliche Wissen zu besitzen, mag dazu beitragen, die Schleier reißen zu lassen, bevor die Zeit dazu reif ist. Dann gibt es nichts mehr, woran der Schüler Halt fände. Dem Mädchen ist genau das geschehen; aber das ist nicht alles. Sie wartet darauf, erkannt zu werden. Verstehst du überhaupt, wovon ich rede?"
"Meinst du, sie will als Frau erkannt werden?"
"Ich meine, daß sie darauf wartet, erkannt zu werden wie alle Frauen. Das Wollknäuel in ihren Händen ist das Blau der Matrix ihrer Welt. Sie sucht nach dem Faden, der sie dahin zurückführt, wo alles begann. Ich frage mich, wie viele Menschen es gibt auf der Welt, die in derselben Lage sind." Er warf mir einen verstohlenen Blick zu, und ich wußte, daß ich diese Frage auf vielen verschiedenen Ebenen durchdenken mußte. Er sagte oder tat nie etwas ohne Absicht. Ich schwieg und bemühte mich, die Antwort zu finden, die er von mir haben wollte.
"Hast du noch nicht begriffen, daß alle Frauen in derselben Lage sind? Solange die Frau nicht vom Mann erkannt wird, kann sie niemals ganz frei sein. Der Mann hat zuviel vergessen. Doch würde er die Frau erkennen, so würde er auch sich selbst befreien. Die Frau, die Erde, wartet noch immer, mit großer Geduld, doch es mag sein, daß ihre Geduld bald ein Ende hat.
Dieses Mädchen ist zu uns geschickt worden, damit wir versuchen, ihr zu helfen, doch auch als ein warnendes Beispiel. Sei freundlich zu ihr und behutsam. Sie ist sehr zerbrechlich. Doch es gibt eine Chance für sie, eines Tages das Ende des Wollknäuels zu finden. [...]"
Quelle: Reshad Feild, Ich ging den Weg des Derwisch

Diesen Text muss man mehrmals durchlesen um seine ganze Tiefe auszuloten. Ich habe ihn hier zitiert, weil dieses Buch mich derzeit sehr berührt hat und weil man das Thema "Wolle" auch mal ganz anders angehen kann.
Verwirrte Fäden können auch als Sinnbild für eine Lebenssituation stehen, die sehr viel Geduld und Zeit braucht um wieder in eine überschaubare Ordnung gebracht zu werden.

Heute Nachmittag gab es in unserem Dorf einen OFFENEN GARTEN, der viele Anregungen zur Gartengestaltung lieferte, in dem aber auch Künstler ihre Produkte verkauften wie etwa diese Puppen hier:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Danke, dass Du Dir Zeit für ein paar Worte an mich nimmst! Ich freue mich über jeden Kommentar und wenn Du ihn hier nicht sofort siehst, lese ich ihn doch sehr bald. Dann wird er hier auch öffentlich zu sehen sein.
Mit herzlichem Gruß
ULL-Rike