Donnerstag, 25. November 2010

Ich hab's wissen wollen ...


... und daher Buchstabenwolle zu neuem Satzgarn versponnen und daraus einen Textpullover gestrickt.
So verfasste ich bei dem Gedanken an das morgendliche Aufstehen, das nach der gleich beginnenden Nacht ja wieder ansteht, folgenden Text (ein ganz kleines Bisschen Wahrheit ist dran - manchmal):

aufstehen ... das linke bein schmerzt - hinlegen ... wieder hinleeegen! - aber nicht doch! da kommt die erinnerung - die erinnerung an die tage, an denen du liegen geblieben bist und in schwere erstarrtest. nein. nicht wieder. aufstehen! gib dir einen stoß!
es ist eben diese erinnerung, die dir von hinten in den rücken tritt und dich nach vorne bringt.
der erste blick in den spiegel. verschmiertes makeup. finster schaut dich ein bleiches rund fragend an: warum stehst du hier?
langsam hebt sich ein betonschwerer sack von deinen schultern, als dein blick auf den duschkopf fällt ... aaah! regenwaldwarmwasser erwartet dich und deine haut. das macht beweglich.
dein körper huscht durch eine unsichtbare tür. immerhin. du hast es noch immer geschafft, sie glasklar zu halten.
ein knopfdruck, den duschkopf meiden. das wasser rauscht eisig gen tasse, wo es schreck bringend deine füße umspült. du ersehnst die ansteigende wärme und ... aaaaaah ... dein ganzer körper gleitet hinüber in den tropfenschwarm, der dich verwöhnend umhüllt.
augen zu. kopf schütteln. ewig könntest du im regen stehen ...

Nein, so schlimm ist es wirklich nicht. Obwohl es Tage gibt, an denen ich ähnlich fühle. Wie gesagt - manchmal ... aber dass ein mir nach der Textanalyse genannter weltberühmter Autor eben so schreiben soll, hat mich ein wenig gewundert.

Hier ein Zitat


HOFMARSCHALL VON KALB (den PRÄSIDENTEN umarmend). Ah guten Morgen, mein Bester! Wie geruht? Wie geschlafen? - Sie verzeihen doch, dass ich so spät das Vergnügen habe - dringende Geschäfte - der Küchenzettel - Visitenbilletts - das Arrangement der Partien auf die heutige Schlittenfahrt - Ah - und denn musst ich ja auch bei dem Lever zugegen sein, und Seiner Durchleucht das Wetter verkündigen.PRÄSIDENT. Ja, Marschall. Da haben Sie freilich nicht abkommen können.HOFMARSCHALL. Obendrein hat mich ein Schelm von Schneider noch sitzen lassen.PRÄSIDENT. Und doch fix und fertig?HOFMARSCHALL. Das ist noch nicht alles. - Ein Malheur jagt heut das andere. Hören Sie nur.PRÄSIDENT (zerstreut). Ist das möglich?HOFMARSCHALL. Hören Sie nur. Ich steige kaum aus dem Wagen, so werden die Hengste scheu, stampfen und schlagen aus, dass mir - ich bitte Sie! - der Gassenkot über und über an die Beinkleider sprützt. Was anzufangen? Setzen Sie sich um Gottes willen in meine Lage, Baron. Da stand ich. Spät war es. Eine Tagreise ist es - und in dem Aufzug vor Seine Durchleucht! Gott der Gerechte! - Was fällt mir bei? Ich fingiere eine Ohnmacht. Man bringt mich über Hals und Kopf in die Kutsche. Ich in voller Karriere nach Haus - wechsle die Kleider - fahre zurück - Was sagen Sie? - und bin noch der erste in der Antichambre - Was denken Sie?PRÄSIDENT. Ein herrliches Impromptu des menschlichen Witzes - Doch das beiseite, Kalb - Sie sprachen also schon mit dem Herzog?HOFMARSCHALL (wichtig). Zwanzig Minuten und eine halbe.


Na? Parallelen erkannt?
Okay: kurze Sätze, viele Gedankenstriche - die Kriterien der Textanalyse scheinen auf. Testqualität: oberflächlich, wenig differenziert. Ja, wie soll so ein PC-Progrämmchen auch Stil-Feinheiten oder gar inhaltliche Komponenten erfassen? Gut, der Anspruch kann auch nicht gestellt werden, schließlich ging es um SchreibSTIL!
Ansonsten lebe das frei denkende menschliche Gehirn! Es wird wohl in Sprachangelegenheiten unerreichbar bleiben ... und unerreichbar ist auch die Einzigartigkeit jedes menschlichen Geistes.

Sonst noch was?
Ah ja ... die Auflösung ...


Obiges Zitat stammt aus KABALE UND LIEBE (1. Akt, 6. Szene) - geschrieben von:

Friedrich Schiller

Wem ich heute dieses interessante Spielchen zu verdanken habe? Schade ... ich find's nicht mehr wieder. Ich habe es entdeckt beim feierabendlichen Blogrundgang. Nur bei wem??? Die Blogwelt ist einfach zu groß ...

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